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Zwischenräume
29. Juni bis 1. Juli 2023
Hauptplatz 6, 4020 Linz

Ausstellung kuratiert von Mariel Rodríguez Rodríguez

Es ist nicht übertragbar wie das Dichterwort des Originals, weil das Verhältnis des Gehalts zur Sprache völlig verschieden ist in Original und Übersetzung. Bilden nämlich diese im ersten eine gewisse Einheit wie Frucht und Schale, so umgibt die Sprache der Übersetzung ihren Gehalt wie ein Königsmantel in weiten Falten.
Walter Benjamin, Die Aufgabe des Übersetzers, 1923 (1968)

„Zwischenräume“ versammelt künstlerische Forschungsexperimente von Studierenden des Bachelor-Studiengangs Kulturwissenschaften die unterschiedlichen Ansätze, Techniken und Formate der Übersetzung zwischen akademischer Forschung und ästhetischen Sprachen präsentieren. Die Arbeiten wurden im Rahmen des Seminars über Formate und Techniken künstlerischer Forschung mit Schwerpunkt Übersetzung (SoSe23) und Mapping (WiSe23) entwickelt.

Im Rahmen des Übersetzungsseminars haben die Studierenden eine bereits bestehende schriftliche Arbeit im Kontext der theoretischen Seminare erweitert, mit dem Ziel, ihre Forschung in ein künstlerisches Projekt zu übersetzen. Der rote Faden der Ausstellung ist durch die Frage nach der Methodik gegeben, die zu Arbeiten führte, die sich letztlich als Verhandlungsräume zwischen unterschiedlichen Diskursen, Medien, semiotischen Konventionen und Kulturen präsentieren.
Stahljunge
Uwe Hochhauser, Lars Schulz
Metall
4x4x4 m
2023
"Stahljunge" ist das Ergebnis einer künstlerisch-wissenschaftlichen Kollaboration zwischen Uwe Hochhauser, einem Metallkünstler und Medical Engineering Studenten, und Lars Schulz, einem Bachelorstudenten der Kulturwissenschaften. Uwe, der Titelgeber des Werkes, definiert sich durch die Materialität von Metall und den damit verbundenen Werksprozess.
Für dieses Ausstellungsstück hat Uwe seinen Lebensraum nachgebaut, wodurch ein Raum entsteht, der seine selbstgebauten Möbelstücke wie einen Präzisionstisch, eine Lampe und einen Plattenspieler präsentiert. Diese Möbelstücke sind nicht nur funktionale Objekte, sondern auch ästhetische Kunstwerke, die Uwes künstlerische Vision widerspiegeln.
Die künstlerisch-wissenschaftlichen Methoden zur Dokumentation des Werksprozesses umfassen reflexive Fotografie und qualitative Interviews. Diese Methoden ermöglichen es, die tieferen Bedeutungen und Einflüsse hinter Uwes Arbeit zu erforschen und zu verstehen.
Das Zimmer selbst dient als Metapher für die Person Uwe. Es verkörpert seine Gedankenwelt, seine Inspirationen und seine künstlerische Schaffenskraft. Es ist ein Raum, der Uwes Persönlichkeit und sein kreatives Universum verkörpert.
Lars Schulz fungiert in diesem Kontext als Beobachter und Forscher. Er nimmt die Rolle eines neutralen Betrachters ein, der die Arbeit von Uwe analysiert und interpretiert. Durch seine wissenschaftlichen Ansätze und Methoden eröffnet er neue Perspektiven auf Uwes künstlerischen Prozess und dessen Bedeutung.
Insgesamt ist das Zimmer als Spielraum konzipiert. Es lädt die Besucher ein, in Uwes Welt einzutauchen und seine künstlerische Reise zu erforschen. Durch die Kombination von Metallkunst, handgefertigten Möbelstücken und dokumentarischen Elementen entsteht eine begehbare Installation, die das Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft aufzeigt.
Urban Canvases
Max Niederer
2x3 m, Acrylmarker auf Polyethylen-Folie
2023
Dieses Werk zeigt die Verbindung aus der Idee von Wissensvermittlung in Form von Karten nach Georges Maciunas in Kombination mit der Idee einer Verwendung der Grundstruktur des öffentlichen Raumes, welche den Aspekt einer klassisch geografischen Karte hinzufügt.
Grauzone
Lukas Greiderer
Super-8 Film, ca. 2:35 min
2023
Eine Zugfahrt, die immer wiederholt wird – vom Heimatort zum aktuellen Wohnort. Nur einzelne Momente der eigentlichen Fahrt werden aktiv wahrgenommen, die restliche Zeit verschwindet in einer Grauzone zwischen Zugfahrt und Ablenkung.
Red Pill
Michaela Vater
Installation 2023
Ausgehend von soziologischer Fachliteratur, die die Kernideologie der als „Manosphäre“ bekannten anti-feministischen Bewegung dokumentiert, zielt diese künstlerische Position darauf ab, die emotionale und psychologische Bedrängnis zu visualisieren, die die daraus resultierenden Verhaltens- und Interaktionsmuster hinterlässt.
Ein besonderes Thema, das derzeit in den Mainstream-Medien häufig diskutiert wird, ist die so genannte "rote Pille"-Theorie. Dieser Glaube, dass Misogynie eine Illusion ist, die von der feministischen Ideologie aufrechterhalten wird, um Männer zu kontrollieren und auszubeuten, kann bei vielen Anhängern zu einer fatalen Verringerung der Empathie, insbesondere für FLINTA* (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen), führen. Frauen, die mit wachsenden Ressentiments gegen Emanzipation und weibliche Selbstbestimmung konfrontiert sind, müssen sich in einem feindseligen Umfeld zurechtfinden und auf dem schmalen Grat zwischen irrationaler Angst und rationaler Sorge um ihre Sicherheit wandeln.
Als Zeichen für die schleichenden psychologischen Auswirkungen auf die von Frauenfeindlichkeit betroffenen Gruppen wirken Rottöne in den von künstlicher Intelligenz erzeugten Bildern. Diese generierten Kreationen führen die Erzählung der Kollision zwischen online spaces und realem Leben weiter und beschwören dabei eine dystopische Vision einer Welt dominiert von radikalen online-Diskursen.
1300
Valentina Ritt
Digitales Video
2023
Das Video 1300 ist eine von Richard Longs Werk „A Seven Day Circle of Ground – Seven Days Walking Within an Imaginary Circle 5 ½ Miles Wide” inspirierte Arbeit. Der Fokus shiftet hier jedoch von einem Raum, der durch Vorgabe von Zeit und Distanz geschaffen wird, zu einer Kombination aus Raum und Zeit, welche sich in einem mal mehr, mal weniger belebten Bild präsentiert.
Die Arbeit wird durch die Projektion des Videos realisiert, in welchem drei aufgenommene Momente chronologisch gegenübergestellt werden – jeweils zwei Minuten um 13:00 Uhr. Hier wird die Variation von Aktion und Raum deutlich sichtbar und zeigt wie sich in dem Zeitrahmen von November, Jänner, Februar und Juni die Atmosphären (jedoch manche Strukturen grundsätzlich nicht) verändern.
Die Präsentation erfolgt auf drei Stoffbahnen, welche symbolisch ein Fenster repräsentieren. Dieses versinnbildlicht den Übergang zwischen Innen und Außen, zwischen privaten und öffentlichen Raum – ein Spiel das wir auch auf den Momentaufnahmen verfolgen können. Die ersichtlichen Videos sind fast ausschließlich nach „Außen“ aufgenommen, um die Aktionen in der unmittelbaren Umwelt aufzuzeichnen. Der transparente Stoff der Vorhänge steht für die Vergänglichkeit, welche in jeglichem Versuch Zeit festzuhalten mitschwingt und strahlt Immaterialität aus. Die Stofflichkeit repräsentiert die laufende Veränderung durch verschiedenste Einflüsse.
Das Konzept entstand im Wintersemester 2022 im Zuge der Lehrveranstaltung MAPPING. Formate und Techniken der künstlerischen Forschung und ist ein alternatives Kartensystem um Daten zu sammeln, wie sichtbar zu machen.
WORK IN PROGRESS
Hanna Kampfl
Papierdruck auf Karton
(594 x 841 mm)
2023
„WORK IN PROGRESS“ basiert auf einer Seminararbeit über ein Berliner Denkmal, welches an die Verfolgung von Homosexuellen zur NS – Zeit gedenken soll. Der Rosa Winkel diente während dieser Zeit der Kennzeichnung von homosexuellen Häftlingen in den Konzentrationslagern und gilt heute als Zeichen der Solidarität. Das Projekt behandelt die queere Geschichte Österreichs und weist mit dem Titel darauf hin, dass diese Entwicklung noch kein abgeschlossener Prozess ist. Es gibt noch viel zu tun! Die Meilensteine zeigen Rück – sowie Fortschritte innerhalb dieser Bewegung und leiten durch die Zeit. Das Werk ist ein interaktiver Versuch, queere Geschichte greifbar zu machen und die historischen Puzzelteile als Gesamtbild der Gegenwart zu betrachten.
Das Puzzel darf gerne berührt, gelesen und zusammengesetzt werden. Beide Seiten fügen sich zu individuellen Bildern zusammen und bieten die Möglichkeit, mehr über diesen oft verschleierten Teil der Geschichte zu lernen.
Lebensapparate
Kerstin Huber
Zoetrop / Phenakistiskop / Kineograph
Karton, Papier, Holz, Sprühfarbe
2023
Ich beschäftige mich mit formaler Spurensuche und dem Entstehen von Bewegung aus unbewegten Dingen. Im Rahmen meiner Auseinandersetzung mit der Suche nach dem Filmischen im Alltäglichen habe ich zu haptisch-analogen Abspielformen gefunden. Die Übersetzung von Einzelbildern in Bewegungsabläufe finde ich in diesen Formaten besonders nachvollziehbar und spürbar. Die entstehende Bewegung versetzt die Bilder untereinander sowie zu mir in eine neue Beziehung. Um die Akteur*innen meiner Kinos zu finden, habe ich mich auf eine Suche nach formalen Wiederholungen in meiner Umgebung gemacht. Der Titel vereint die nicht-wissenschaftlichen Begriffe "Lebensräder" und "Sehapparate", die die Funktionen sowie Rezeptionen dieser Objektebezeichnend widerspiegeln: Die Apparate erwecken im Sehen zum Leben.